Den folgenden, am Freitag, 20. 04. 2007, erschienenen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von Andrea Koch-Widmann, Stuttgarter Zeitung:
Der Gemeinderat stellt fest: fadenscheiniges Manöver
Der Bürgermeister von Althengstett (Kreis Calw), der im Visier staatsanwaltschaftlicher Ermittlung steht, dreht den Spieß um. Er beschuldigt seinen Hauptamtsleiter, einige der anonymen Briefe geschrieben zu haben, für deren Urheberschaft sein Vater einen Strafbefehl erhielt. Von Andrea Koch-Widmann
Neues aus Absurdistan - anders kann man die Entwicklungen in der 8150 Einwohner zählenden Gemeinde Althengstett am Rande des Nordschwarzwalds nicht bezeichnen. Die Anonyme-Brief-Affäre, die im Oktober vorigen Jahres publik wurde, hat Bürgermeister Jörg Nonnenmann, der sich am 20. Mai zur Wiederwahl stellt, schwer unter Druck gebracht. Dass er nun den Hauptamtsleiter beschuldigt, anonyme Briefe geschrieben zu haben, werten die Gemeinderatsmitglieder als fadenscheiniges Manöver vor der anstehenden Bürgermeisterwahl, um von seiner eigenen Verstrickung abzulenken. Kein Wunder: als Urheber der anonymen Briefe, in denen jahrelang politisch Andersdenkende in der Kommune geschmäht, beleidigt und zum Teil auch bei ihren Arbeitgebern angeschwärzt worden waren, wurde der Vater des Schultes enttarnt. Der frühere Chef der Calwer Kriminalpolizei war von seinen ermittelnden Kollegen an der Handschrift erkannt worden. Inzwischen hat der 68-Jährige von der Tübinger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl über 7500 Euro wegen Beleidigung in 35 Fällen erhalten. 31 Fälle habe er zugegeben, in vier Fällen jetzt jedoch Einspruch erhoben, sagt Walter Vollmer, der Leitende Oberstaatsanwalt in Tübingen. Genau jene vier anonymen Schreiben lasteten Vater und Sohn nun dem Hauptamtsleiter an. Nach einer Sondersitzung hat sich der Gemeinderat voll hinter den Beschuldigten gestellt, der als integer beschrieben wird. "Der Gemeinderat hält diese Beschuldigungen für völlig abwegig", heißt es in der Erklärung, in der dem Mann das "vollste Vertrauen" ausgesprochen wird. Das Vertrauen des Gemeinderats in den Bürgermeister ist mit dieser Aktion jedoch völlig geschwunden. Insbesondere Karl Gäckle, der erste Stellvertreter des Bürgermeisters, der bis vor Kurzem Nonnenmann noch unterstützte, ist erschüttert. Schließlich ist er derjenige, den der Bürgermeister zunächst an die Front schickte. "Blauäugig", sagt Gäckle jetzt, habe er jenes Schreiben an die Tübinger Staatsanwaltschaft unterschrieben, das der Schultes formuliert hatte und in dem er die Anschuldigungen gegen den Hauptamtsleiter erhob. Danach habe er, erzählt Gäckle, per Fax zur Kenntnisnahme einen weiteren, an das ermittelnde Karlsruher Polizeipräsidium gerichteten Brief des Bürgermeist ers erhalten. Dass er, Gäckle, in einer veränderten, ihm unbekannten Version dieses Briefes als Zeuge gegen den Hauptamtsleiter ins Spiel gebracht wurde, habe er erst bei der Befragung der Polizei erfahren. Der Bürgermeister selbst war gestern nicht zu sprechen. Jetzt fühlt sich Gäckle von seinem Schultes "hereingelegt und benutzt". Er hat sich inzwischen beim Hauptamtsleiter entschuldigt, und zu seiner Erleichterung habe sie der auch angenommen. Gäckles Vertrauen in den Bürgermeister Jörg Nonnenmann jedenfalls sei "vollkommen dahin". Überdies hatte der Schultes jenes Schreiben, das er als Ghostwriter verfasste und das die Unterschrift seines Stellvertreters trägt, dazu benutzt, um rund zwei Wochen später bei der Staatsanwaltschaft nachzufassen bezüglich des Ermittlungsstands gegen seinen Hauptamtsleiter. Er als Verwaltungschef müsse schließlich wissen, ob angesichts des ungeheuerlichen Verdachts Gefahr im Verzuge sei. Wegen des näher rückenden Wahltermins verlangte er, dass die schleppenden Ermittlungen endlich Ergebnisse zu Tage fördern sollten. Die Tübinger Staatsanwaltschaft wies jedoch das Auskunftsbegehren zurück. Nonnenmann sei in dieser Angelegenheit Beschuldigter und könne deshalb auch als Bürgermeister nicht über den Stand der Ermittlungen unterrichtet werden. Denn die Ermittlungen gegen Nonnenmann selbst wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen sind noch nicht abgeschlossen. Bei der Hausdurchsuchung bei seinem Vater waren Akten gefunden worden, darunter Personalakten. Auf Nachfrage der Ermittler hätten die betroffenen Personen, dazu zählt auch der Hauptamtsleiter, Strafantrag gegen den Bürgermeister wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gestellt. Vor der Wahl sei mit keinem Ergebnis zu rechnen, sagt Vollmer. Inzwischen haben sich vier weitere Bewerber gemeldet: Ilias Schmid, 41-jähriger Betriebswirt aus Tamm bei Ludwigsburg; Clemens Götz, 45 Jahre, Schul- und Kulturamtsleiter in Nagold; Mike Schaller, 29-jähriger Maschinenschlosser aus Althengstett; Eckhard Flik, 50 Jahre, technischer Angestellter, Althengstett. Am Montag endet die Frist.
Die Bewerbungsfrist endet heute (23. 04. 2007) um 18.00 Uhr!
Montag, 23. April 2007
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