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Mittwoch, 6. September 2006

Bebauungsplan Gewerbegebiet I, 1. Erweiterung : Stellungnahme im Rahmen der Auslegung gemäß §3 Abs. 2 BauGB

Die Auswirkungen der Gewerbegebietserweiterung auf Natur und Umwelt sind beträchtlich, manches wird irreversibel zerstört und kann durch Ausgleichsmaßnahmen nicht adäquat kompensiert werden. Zur Bewältigung der Probleme sind teils kostspielige Maßnahmen erforderlich, etwa im Bereich der Wasserentsorgung.
Beeinträchtigungen sind für jedermann schon jetzt erkennbar, besonders problematisch sind
der hohe Grad der Bodenversiegelung mit Auswirkungen auf den Wasserhaushalt des Waldes
zerstörter Lebensraum von geschützten Tier- und Pflanzenarten sowie das Orts- und Landschaftsbild.
Wir sind mit der Gewerbegebietserweiterung in Althengstett an einer Grenze des Vertretbaren angekommen und im Detail sind wir dabei, sie zu überschreiten. In der vorliegenden Fassung kann ich deshalb dem Bebauungsplanentwurf nicht zustimmen.

Begründung
Umweltbericht/ Grünordnungsplan
Der Umweltbericht zeigt auf, dass die Umsetzung des Bebauungsplanes zum Teil zu gravierenden Auswirkungen führen wird. Als wichtigste Konflikte werden dort u.a. genannt:
Folgen des hohen Grades der Oberflächenversiegelungen
o bedeutender Verlust von Bodenfunktionen mit Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung o fehlender Ausgleichsspeicher für Verdunstung und Abfluss.
o Verluste klimarelevanter Strukturen durch Überbauung von Waldflächen
o Erhöhung der Lufbelastungen mit Auswirkungen auf Meso- und Mikroklima
o Beeinträchtigung der Erholungsfunktion mit negativen Veränderungen des Landschaftsbildes
o visuelle Beeinträchtigungen durch großvolumige Baukörper
o Beeinträchtigungen und Zerschneidung von Tierlebensräumen,
o betriebsbedingter Lärm- und Schadstoffemissionen
Diese Konflikte können nur teilweise durch Ausgleichsmaßnahmen aufgefangen werden. Hierbei handelt es sich teils um rein bilanztechnische Ersatzmaßnahmen, die keinen wirklichen „Ausgleich“ für die Natur darstellen.

Schutzgut Boden nicht ausgleichbar

Zum Beispiel kann das Schutzgut „Boden“ hinsichtlich seiner Funktion als Ausgleichskörper im Wasserhalt nur unzureichend ausgeglichen werden (siehe UB S.62, Defizit 4,2 haWE !). Für einen Ausgleich wären weitere (teure) Entsiegelungsflächen nötig, die aber nicht vorhanden sind. Wäre man nicht mit den bereits vollzogenen Baumaßnahmen über die Grenzen des rechtskräftig bestehenden Flächennutzungsplans hinausgegangen, wäre ein weitgehender Ausgleich möglich gewesen.

Umweltbericht beruht auf nicht aktuellen Daten

Der Umweltbericht geht hinsichtlich der Tier- und Pflanzenbestände im Wesentlichen von älteren Erhebungsdaten aus: Auf Seite 37 heißt es: „Aktuelle Erhebungen […] wurden im Zuge der Erarbeitung des UB/GOP nicht durchgeführt. Es wurde „lediglich auf die bereits vorhandenen Daten und Unterlagen“ zurückgegriffen. Weiter heißt es, dieser Verfahrensweise hätten die am Scoping beteiligten „zuständigen Behörden“ zugestimmt.
Wenn es sich um ein Gebiet handeln würde, in dem die Situation kaum Änderungen unterliegt, wäre diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden. Gerade dies trifft aber nicht zu. Die verwendeten Daten stammen teilweise aus einem Zeitraum, in dem das betroffene Gebiet aufgrund der Sturmwurfereignisse noch am Beginn einer dann eingesetzten massiven strukturellen Veränderung gestanden hatte.
Folglich wird im Umweltbericht darauf hingewiesen, dass sich die als Mischwald aufgeforsteten Flächen in einem fortgeschrittenen Sukzessionsstadium mit hoher Arten und Strukturvielfalt befinden. Hier entstehen mit „hoher Dynamik“ neue Lebensräume, z.B. für Licht-bevorzugende Arten.
In wieweit sich dieser Prozess in den letzten Jahren weiterentwickelt und etwa auf die Fledermauspopulationen ausgewirkt hat, wurde somit gar nicht berücksichtigt. Zum Beispiel sind inzwischen auch geschützte Gelbbauchunken, Zauneidechsen und diverse Orchideenarten nachgewiesen worden.

Schutzgut „Landschaftsbild“ wurde zu wenig berücksichtigt.

Das Landratsamt hatte in seiner Stellungnahme vom 2.3.06 gefordert:
„Entgegen der Scoping-Dokumentation sollte das Schutzgut „Landschaftsbild“ mehr berücksichtigt werden“.
Da durch inzwischen erteilte vorzeitige Baugenehmigungen für die Erstellung großvolumiger Baukörper Tatsachen geschaffen wurden, sind die nachträglichen gestalterischen Einflussmöglichkeiten nur noch marginal.

Ausgleichsmaßnahmen Waldaufwertung

Die Maßnahmenkategorie A7 geht mit der höchsten Wertungspunktzahl (2400000 = 54% der Gesamtpunkte) in die Ausgleichsbilanz ein. Die darin vorgesehenen externen „naturnahen Bestandsumwandlungen“ vorhandener Fichtenaufforstungen müssen aber wohl eher als sehr „langfristig angelegte Maßnahme mit längerer Entwicklungsdauer“ angesehen werden.
Die ökologische Aufwertung der in Einzelparzellen versprengten Waldflächen ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Sie stellt aber keinen unmittelbaren wirksamen Ausgleich für die tatsächlich verloren gehenden, örtlich zusammenhängenden Funktionen dar. Außerdem sind die geplanten Maßnahmen wenig überschaubar und kaum in ihrer Effizienz zu kontrollieren. Es ist deshalb sehr fraglich, ob diese Maßnahmen im erhofften Umfang überhaupt als Ausgleichsmaßnahme anerkannt werden.

Waldumwandlung außerhalb des FNP

Laut Rechtssprechung muss ein Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt werden. Der Bereich Waldabstandszone und ein Teil des westlichen Bereiches sind aber nicht Bestandteil des gültigen Flächennutzungsplanes. Auf diesen Missstand hat auch das Landratsamt noch mal in seiner Scoping-Bewertung hingewiesen
In den Bereichen außerhalb des FNP wurde dennoch eine Waldumwandlungsgenehmigung eingeholt. Falls das zuständige RP Freiburg seinerzeit die Genehmigung für die Waldumwandlung aufgrund der Annahme erteilt haben sollte, dass es sich um ein Gebiet innerhalb des FNP handelt, ist die rechtliche Grundlage der Genehmigung nicht gegeben. Ich bitte um eine belastbare Auskunft darüber, ob das RP-Freiburg entsprechende Kenntnis über den tatsächlichen Sachverhalt hatte.

Forderungen aus Umweltbericht und Scoping im Textteil der Bauvorschriften unzureichend berücksichtigt

Die im Umweltbericht dargelegten Erkenntnisse wurden in den textlichen Festsetzungen nicht im erforderlichen Maß übernommen.
Maßnahmen, wie z.B. Dach- und Fassadenbegrünungen, die als wichtige Elemente zur Minderung der Bebauungsfolgen beschrieben werden, sind nur „als nicht bindende Festsetzungsempfehlungen“ eingeflossen. Für bedeutende bereits realisierte Bauumfänge spielen die im UB verlangten Maßnahmen offensichtlich keine Rolle mehr. Auf den Abbildungen der Infoschilder von derzeitig im Bau befindlichen Gebäuden sind zum Beispiel die Dachbegrünungen nicht erkennbar.
Ebenso ist unklar, wie die Durchführung der Maßnahmen überhaupt konkret gesichert und überwacht werden sollen. Zum Beispiel ist nicht geklärt von wem und in welcher Form das „dringend anzuratende“ Monitoring der Fledermauspopulationen (großer Mausohr) tatsächlich durchgeführt wird.
Generell sollte die Verpflichtung zur Durchführung der Maßnahmen mit einem öffentlich rechtlichen Vertrag abgesichert werden.

Beleuchtung

Nicht nur für die öffentliche Straßenbeleuchtung, sondern auch für größere Betriebsflächen sollten Na-Hochdrucklampen vorgeschrieben werden (Insektenschutz, Energiesparen). Der Umweltbericht weist (Seite 41) auf diese Maßnahmen auch wegen dem festgestellten Jagdhabitat verschiedener Fledermausarten hin.

Löschwasserentsorgung nicht erkennbar

Auf dem Gelände von Intier mussten größere Löschwassermengen bereitgestellt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, wo diese Mengen im Ernstfall, dann möglicherweise mit Schadstoffen verunreinigt, gefahrlos abgefangen werden kann, ohne dass Gefahr für das Grundwasser bzw. das „naturnahen“ Entwässerungssystem besteht.

Flächenverbrauch minimieren

Es wurde vorgeschlagen, zur Minimierung des ohnehin hohen Flächenverbrauchs einen Teil der erforderlichen PKW-Stellplätze in Parkhäuser unterzubringen. Dieser Vorschlag findet sich im Bebauungsplan nicht wieder und sollte nochmals aufgegriffen werden.

Zulässige Bauhöhe

Als zulässige Bauhöhe wird 11,5m festgesetzt. In der Begründung des Textteils (Seite 9) wird diese Grenze dagegen für „technische Aufbauten“ aufgeweicht, so dass real partiell eine Bauhöhe bis zu 14,5m möglich wird.
Die örtlichen Bauvorschriftt sollte sich auf die festgelegte Höhe von 11.5m beschränken. Im Ausnahmefall lässt sich bei Vorliegen gewichtiger technischer Gründe im Rahmen einer Abweicherlaubnis eine Mehrheit im zuständigen Gremium finden.

Eingeschränktes Industriegebiet (GIe)

Die Gemeindeverwaltung will eine Teilfläche in ein Industriegebiet mit Einschränkungen nach der Bundesimissionsschutzverordnung (4. BImSchV)
Die Verwaltung begründet dies mit dem Wunsch der dort ansässigen Firma im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten zu wollen.
Diese Begründung ist unzureichend, weil Drei-Schicht-Betrieb auch in Gewerbegebieten möglich ist und dies bereits lange in Althengstett so praktiziert wird.
Für die Gemeinde ist dagegen von erheblichem Nachteil, wenn nach der Umwidmung zum GIe, auch mit den genannten Einschränkungen gemäß BImSchV, Betriebe mit erheblichem Emissionspotential zugelassen werden müssen!

Ein kleiner Auszug dessen was zukünftig zulässig ist:
- Anlagen zur Herstellung von Bitumen oder Teer mit Produktionsleistung von bis zu 200
Tonnen ….
- Anlagen zur Behandlung von Oberflächen …unter Verwendung von organischen
Lösungsmitteln, …. mit einem Verbrauch an organischen Lösungsmitteln von bis zu 150
Kilogramm je Stunde oder 200 Tonnen je Jahr.
- Mastbetriebe mit bis zu 40.000Mastgeflügelplätzen, 350 Rinderplätzen, 20.000
Truthühnermastplätzen, 1.000Kälberplätzen, 2.000 Mastschweineplätzen
- Anlagen zum Schmelzen von Nichteisenmetallen bis zu 4 Tonnen je Tag bei Blei und
Cadmium oder 20 Tonnen je Tag bei sonstigen Nichteisenmetallen
Das Landratsamt weist in seiner Stellungnahme vom 2.3.06 wegen „der deutlich wahrnehmbaren Wohnbebauung“, die dort im angrenzenden GE-Gebiet bereits existiert, auf ein Konfliktpotential hin, wenn ein Industriegebiet geschaffen wird.
Aus meiner Sicht besteht zudem die Gefahr, dass die Gemeinde regresspflichtig werden kann, wie es bei ähnlichen Fällen in anderen Gemeinden schon passiert ist.
Um zukünftig vor „unliebsamen“ Überraschungen gefeit zu sein, gegen die man sich dann nicht mehr wehren kann, müssen die geplanten „Einschränkungen“ erheblich enger gefasst werden. Ich plädiere deshalb vehement dafür, es bei der Ausweisung als Gewerbegebiet zu belassen und auf die Ausweisung eines Industriegebietes zu verzichten. Die Dreischichtproduktion der bestehenden Betriebe könnte, falls überhaupt erforderlich, auch mit einer entsprechenden Abweichungserlaubnis mit abgesichert werden.

Folgerung

Es darf nicht mehr Fläche verbraucht werden als für eine verträgliche Gewerbegebietserweiterung unbedingt nötig ist. Deshalb soll das Gewerbegebiet nur im Rahmen dessen erweitert werden, wie es der rechtskräftig bestehende Flächennutzungsplan vorsieht und wie es ursprünglich der Gemeindeverwaltungsverband nach langjährigen Planungen festgelegt hatte.
Ganz besonders ist es für die Gemeinde von Nachteil, Teilflächen in ein Industriegebiet umzuwandeln. Auch ein eingeschränktes Industriegebiet ist ein Industriegebiet. Im Vergleich zu einem Gewerbegebiet sind dort wesentlich größerer Emissionsbelastungen zulässig, die nachträglich nicht mehr zu verhindern sind, weil jede spätere Betriebsansiedlung einen Rechtsanspruch hat, den zulässigen Rahmen auszunutzen.
Ich bitte, die textlichen Festlegungen bezüglich der oben genannten Einwände und Vorschläge zu ergänzen bzw. zu überarbeiten.

Lothar Kante