– Ohne Worte –
Stellungnahme zur Intier-Ansiedlung
Gemeinsame Stellungnahme der Gemeinderäte Lothar Kante, Gisela Gröger und Ralf Köhler zur Ansiedlung der Firma Intier im Gewerbegebiet Unteres Ried in der Gemeinderatssitzung am 18. November 2005
TOP „Ansiedlung eines größeren Betriebes im Gewerbegebiet I“
Wir sind froh darüber, dass der Gemeinderat die anstehende schwierige Entscheidung nun doch in einer öffentlichen Sitzung tätigt und nicht im Verborgenen beschließt. Es ist aber bedauerlich, dass die Gemeinde sich nicht entschließen konnte, der Bevölkerung in einer Fragestunde die Gelegenheit zu geben, sich an der viel zu wenig öffentlich geführten Diskussion über dieses Thema zu beteiligen.
Veröffentlichte Informationen
Die bisher veröffentlichten Informationen sind bei oberflächlicher Betrachtung schon sehr beeindruckend:
„Millioneninvestition in Althengstett“
„150 Arbeitsplätze“
wird nicht ausdrücklich gesagt, aber zwischen den Zeilen impliziert:
„Reichtum für die Gemeinde durch Gewerbesteuereinnahmen“.
außerdem: „Erlöse für die Gemeinde durch Grundstücksverkauf“
Da fragt man sich doch, warum diskutiert man eigentlich noch, da muss man doch schnell zugreifen, bevor es andere tun!
Bewertung der Informationen
Zugegeben, es klingt alles sehr verlockend, aber man sollte sich nicht den Blick durch eine von Euros beschlagene Brille trüben lassen und genau prüfen, was bei näherer Betrachtung übrig bleibt.
Millioneninvestition:
Vom Investitionsvolumen, d.h. Gebäude, Maschinen usw., wird Althengstett wohl kaum nennenswert etwas zugute kommen, zumindest wurde nichts Konkretes genannt. Die Investitionsmillionen werden an spezialisierte externe Firmen gezahlt werden, die vermutlich heute schon feststehen und sofort anfangen könnten, wenn sie nur wüssten wo. Da wird für Althengstetter Betriebe nicht viel übrig bleiben.
Arbeitsplätze:
In der ersten Ausbaustufe werden vermutlich die wenigsten Stellen neu geschaffen werden können, weil die Produktion schnell hochgefahren werden muss, hierzu braucht man erfahrene Leute, die nicht nur aus Althengstett kommen können.
Inwieweit darüber hinaus in den späteren Ausbaustufen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können, das hängt von sehr vielen Einflussgrößen ab, die heute niemand – auch die Firma nicht- vorhersehen kann.
Hier bleibt übrigens zu fragen, ob dem Bürgermeister Informationen darüber vorliegen, wie groß eigentlich heute die Abhängigkeit der Althengstetter Gewerbe von der Automobilindustrie bereits ist. Hier sollte man sich über die vorhandenen Strukturen im Klaren sein, wenn man Projekte dieser Dimension plant.
Gewerbesteuer:
Welche konkreten Erkenntnisse hat der Bürgermeister über die Größenordnung der zu erwartenden steuerlichen Einnahmen, unter der Berücksichtigung, dass die Firma ihren Stammsitz eben nicht in Althengstett hat, darüber hinaus international tätig ist und somit alle Möglichkeiten nutzen wird, Gewinne von hier mit Verlusten anderenorts gegen zurechnen. Es ist sehr angebracht, nicht allzu sehr auf den so erhofften Geldsegen für die Gemeinde zu setzen.
Es ist schon eher die Überlegung angebracht, ob es denn nicht viel besser ist, sich statt dessen um die Ansiedlung einer gesunden Mischung mehrerer kleinerer Betriebe zu bemühen, die ihre Gewerbesteuer tatsächlich hier abliefern, ebenfalls Arbeitsplätze schaffen können. Außerdem sind bei einer gestreuten Gewerbestruktur weniger Unsicherheiten gegeben, als bei einem Betrieb, dessen Existenz von der Entscheidungsgewalt weit entfernter anonymer Konzernzentralen abhängt.
Es bleibt noch der Punkt „Einnahmen durch Grundstücksverkauf“:
Dies ist die einzige einigermaßen zuverlässige Größe auf der Einnahmenseite. Auch hier sind wir der Meinung, dass dies genauso gut durch Ansiedlung kleinerer Betriebe ebenso realisierbar wäre.
Bisher gab es keine Probleme die Gewerbegrundstücke an den Mann zu bringen, und das obwohl die Gemeinde sich selbst nie groß aktiv darum bemüht hatte.
Unklarheiten in der Sitzungsvorlage
Vor allem sollten wir aber schauen, dass wir einen Betrieb herbekommen, der sich besser in das Landschaftsbild einfügt, als ein Großbau mit den Mindestmaßen 175m x 81 m. Eventuell sind es auch 120m x 250 m, aus der Gemeinderatsvorlage ist nicht klar erkennbar, welches Maß eigentlich gilt. Leider ist die Vermittlung der Dimension des Bauwerkes auch sonst nur wenig anschaulich dargestellt, dies darf ruhig als Kritik an den uns und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Unterlagen aufgefasst werden.
Folgen bei Realisierung des Vorhabens
In jedem Fall wäre dies aber das größte Bauwerk in Althengstett: fast zweimal so groß wie das Schnaufergebäude. Aufgrund der geografischen Lage ist die Anlage zudem ungleich auffälliger als jedes andere Industriegebäude in Althengstett.
Eines ist gewiss: dieser Koloss wird sicher das Bild Althengstetts nachhaltig verändern, und zwar nicht zum Schönen hin. Dies muss man auch wollen, wenn man sich für eine derartige Ansiedlung entscheidet!
Was ist eigentlich, wenn wir die Megahalle stehen haben und der Anschlussauftrag für die Firma nicht kommt oder die Produktion plötzlich verlagert wird?
Zudem muss auch noch wegen des gigantischen Ausmaßes der Flächennutzungsplan erweitert werden. Werden wir eigentlich regresspflichtig, wenn man der Firma heute zusagt, sie könne dort bauen, und später stellt sich heraus, dass der Flächennutzungsplan doch nicht so wie erforderlich zustande kommt? Dazu kommen noch die gesetzlich geforderten Ausgleichsmaßnahmen, wo wir heute schon Probleme haben, diese zu erbringen.
Fazit
Wir sollten uns um eine wirtschaftliche Entwicklung mit Augenmaß bemühen, aber nicht um jeden Preis. Sie muss zu der Gemeinde passen, nicht nur strukturell sondern auch von den Ausmaßen, auch optisch. Und dieses Vorhaben tut beides nicht.
Aus den obengenannten Gründen stimmten die Gemeinderäte Lothar Kante, Gisela Gröger und Ralf Köhler gegen den Verkauf des Geländes an den Industrie-Immobilienmakler, der das Gelände erwerben und es an Intier vermieten wird.
Weitere Dokumentation zum Thema:
Der Leserbrief zur Gemeinderatssitzung vom 18.01. in der heutigen Ausgabe des Schwarzwälder Bote wurde von der Redaktion "bearbeitet". Eine Rücksprache mit den Verfassern fand entgegen allen früheren journalistischen Gepflogenheiten leider nicht statt. Deshalb hier das Dokument in voller Länge. Entscheiden Sie selbst lieber Leser, warum gerade die die rot markierten Passagen gestrichen wurden??
Leserbrief zum Artikel über die Gemeinderatssitzung am 18.01.06, Althengstett,
„Gemeinderat vertagt Beschluss“ und Kommentar „Große Chance“ (in der Zeitung gekürzte Passagen rot markiert)
Sie raten in ihrem Kommentar dem Althengstetter Gemeinderat den Weg für die Ansiedlung der Firma Intier und anderen Betrieben frei zu machen und erwecken in Ihrer bisherigen Berichterstattung für die Leser den Eindruck, die Vertreter von SPD und Grüne im Althengstetter Gemeinderat würden Bemühungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen unnötig Steine in den Weg legen. Dies ist absolut nicht der Fall. Tatsache ist, dass sich im Gremium niemand gegen die grundsätzliche Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe ausgesprochen hat. Im Gegenteil, von den erwähnten sieben geplanten Firmenansiedlungen hatte es lediglich im Fall Fa. Intier aus verschiedenen Gründen berechtigte Bedenken und Diskussionen gegeben. Wir müssen zwar gerade in der heutigen Zeit sehr froh sein, wenn Betriebe wie die Fa. Intier bereit sind, bei uns zu investieren. Dennoch müssen im Einzelfall auch die Auswirkungen auf die konkrete Örtlichkeit und mögliche Alternativen untersucht werden.
Unter anderem hatten wir wegen der ursprünglich geplanten enormen Gebäudedimension (ca. 250m mal 120m) Bedenken geäußert. Bei der guten Nachfrage an Althengstetter Gewerbegrundstücken wäre es aus unserer Sicht ebenso möglich gewesen, das Gelände - mit gleichem oder gar höherem Erlös - an kleinere, landschaftsverträglichere Gewerbebetriebe zu verkaufen. Dies hätte zudem durch den breiter gefächerten Branchenmix Arbeitsplätze nachhaltiger sichern und zu verlässlicheren Gewerbesteuereinnahmen beitragen können. Nachdem der Gemeinderat am 18.11.05 mehrheitlich dem Verkauf des Grundstückes über eine Immobilieninvestmentfirma an Fa. Intier zugestimmt hat, ist diese Diskussion nun entschieden.
In der letzten GR-Sitzung richtete sich die Kritik somit überhaupt nicht gegen die Gewerbeansiedlungen, sondern wieder einmal gegen unzureichende Sitzungsvorlagen. Diese wurden zwar rechtzeitig losgeschickt, es fehlten aber detaillierte Informationen, wie z.B. eine aussagekräftige Zeichnung des Bebauungsplanes, über dessen Aufstellung schließlich entschieden werden sollte, um das Gewerbegebiet erweitern zu können. Ein lesbarer Plan wurde erst zu Sitzungsbeginn ausgehändigt. Dies führte dann zu der Vereinbarung, aus rechtlichen Erwägungen den Aufstellungsbeschluss zu verschieben.
Ferner halten wir es für problematisch, wenn in dem neuen Bebauungsplanentwurf bereits Flächen als „Industriegebiet“, statt „Gewerbegebiet“ ausgewiesen werden bzw. sogar bestehendes Gewerbegebiet plötzlich, ohne dass jemals darüber gesprochen wurde, in „Industriegebiet“ umgewidmet wird. Hier gilt es, über die Konsequenzen bei zukünftigen Industrieansiedlungen, zum Beispiel hinsichtlich der Emissionen, rechtzeitig und umfassend aufzuklären – zum Wohle der Bürger unserer Gemeinde.
Gisela Gröger, Lothar Kante, Ralf Köhler
Erfahrung eines Neuhengstetters mit einer Bewerbung bei der Fa. Intier.
In den Zeitungen war Ende November groß zu lesen, dass ein Automobilzulieferer für Althengstett 150 Arbeitsplätze ankündigt.
So habe ich mich am 30.11.2005 auf die Stelle „Techniker Qualität“ beworben.
Leider bin ich bereits durch die Vorauswahl durchgefallen, nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch ist es gekommen.
Dies hat mich veranlasst, einen Leserbrief an folgende Zeitungen zu verschicken:
Sindelfinger/ Böblinger Zeitung, Schwarzwälder- Bote, Ludwigsburger Kreiszeitung
Artikel wie folgt:
Automobilzulieferer kündigt 150 Arbeitsplätze an.
In Ihrer Ausgabe Ende November/Anfang Dezember 2005 wurden durch den Automobilzulieferer Fa. Intier GmbH 150 Arbeitplätze im neuen Industriegebiet von Althengstett angekündigt.
Als Althengstetter habe ich mich auf die Stelle Techniker Qualität für den neuen Produktionsstandort beworben.
Obwohl ich die erforderliche Qualifikation mitbringe und auf eine jahrelange Berufserfahrung zurückgreifen kann, kam es für mich nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch.
Nach Rückfrage Mitte Februar wurde mir durch den zuständigen Personalleiter der Fa. Intier eine mögliche Stelle in Aussicht gestellt. Ich müsse mich jedoch noch einige Tage gedulden, es sei noch nichts entschieden, hieß es. Trotzdem habe ich auf Grund der getroffenen Vorauswahl Anfang März eine Absage erhalten. Tolle Auswahl!
Nun frage ich mich, ob es für andere Althengstetter mögliche Arbeitsplätze bei der Fa. Intier gibt.
Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens die zwei zugesagten Stellen für Gabelstaplerfahrer geschaffen werden. Von 150 angekündigten Arbeitsplätzen ist das jedoch weit entfernt.
Neuhengstett, den 2.3. 2006
Jürgen Finze Waidgang 5
75382 Althengstett
Kommentar:
Wir hoffen mit der Veröffentlichung dieses Leserbriefs auf Resonanz von anderen Bewerbern um Stellen bei Intier. Wäre ja schön, wenn es viele positive Meldungen von Althengstetter Bürgern gäbe, die in mit dem neuen Unternehmen einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit, sprich einen Arbeitsplatz gefunden haben.