Bei der Gemeinderatssitzung am Mittwoch, dem 18.01. ging die Industrieansiedlung des Daimler-Benz Zulieferers Intier in die zweite Runde. Aus einer lange von der Verwaltung geplanten Klausursitzung wurde über Nacht (selbstverständlich ohne jede Begründung) eine außerordentliche Ratssitzung zu ungewöhnlicher Zeit (18 Uhr), bei der die Erweiterung des Gewerbegebietes Unteres Ried als einziger Tagesordnungspunkt auftauchte.
Die Unterlagen für die Gemeinderäte zu diesem Thema waren, wie so oft mangelhaft – mit oder ohne Absicht, darauf kann sich jeder selbst einen Reim machen. Jedenfalls fehlte nahezu alles, was eine Vertiefung in das Thema vor der Sitzung ermöglicht hätte. Die Gemeinderäte erhielten von der Verwaltung weder Firmennamen noch Flächen- oder Größenangaben, keine Angaben zum aktuellen Stand der Verhandlungen mit Intier, keine Skizze, kein Plan. Ein Tag vor der Sitzung trudelte mit gesonderter Post auf einem A4-Blatt eine Planskizze ein, bei der Teile aufgrund der extremen Verkleinerung nicht zu entziffern waren.
Mißachtung des Gemeinderats
Das ist eine grobe Mißachtung des Gremiums, die zu Beginn der Ratssitzung von mir mit einem Geschäftsordnungsantrag zur Absetzung des Tagesordnungspunktes wegen Verstoß gegen die Vorschriften der Gemeindeordnung beantwortet wurde. In der folgenden Abstimmung sahen das drei Gemeinderäte (Gröger, Kante, Köhler) so, alle anderen fanden's offensichtlich in Ordnung wichtige Entscheidungen ad hoc abzusegnen, wenn auch so mancher deutlich verzögert den Finger zur Ablehnung des Antrags hob.
Es schloss sich eine ausführliche Diskussion an, bei der die unterschiedlichen Positionen zur Ansiedlung noch einmal vorgetragen wurden. Wir Grünen sind auch weiterhin gegen eine Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans, gegen zusätzlichen Flächenverbrauch und das Abholzen von weiteren 120 x 70 m Wald. Neue Arbeitsplätze finden wir sicherer untergebracht in mittelständischen Unternehmen mit regionalen Bindungen als unter den Dächern von Global Playern, die heute hier und morgen dort produzieren oder ihre Produktion wieder einstellen. Nachdem es uns, wie Bürgermeister Nonnenmann selbst betont, an guten Bewerbern zum Kauf von Gewerbeflächen nicht fehlt, gab und gibt es keine Not, sich bei einer Vergabe von Bauland nicht auf Qualität und Zukunftssicherheit der Bewerber zu konzentrieren, auch wenn der Verkauf der Flächen dann etwas länger dauert.
Bürgermeister schlecht vorbereitet
Bürgermeister Nonnenmann lieferte im Laufe der Sitzung wieder einmal einen Hinweis darauf, wie gut vorbereitet er selbst in die Ratssitzungen kommt. Auf konkrete Nachfrage nach der Größe der von Intier geplanten Gebäude, mußten alle Anwesenden erkennen, dass der Bürgermeister die wichtigsten Veränderungen zum Thema nicht mitbekommen hat. Auf konkrete Nachfrage ging er weiter von der alten Gebäudekubatur aus und mußte sich von Bauamtsleiter Teufel belehren lassen, dass ja alles nun rund 90 Meter kürzer wird als bisher vorgesehen. Was bleibt ist eine Halle von immer noch ca 160 Meter Länge im nahen Wald, ein Grundstücksverkauf an einen Industrieimmobilienhändler, der Gebäude und Grund an Intier vermieten wird und das Prinzip Hoffnung, dass Althengstett bei Intier und Intier bei Daimler nicht in Ungnade fällt.
Vertagung wegen Verstoss gegen die Gemeindeordnung
Nach dem Schluss der Debatte meldete sich dann Gemeinderat Günther Ayasse mit dem Vorschlag, doch die Abstimmung über den vorliegenden Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan auf die nächste Sitzung zu verschieben ... "weil da ja möglicherweise im Vorfeld etwas nicht ganz nach den Vorschriften gelaufen sei" . Dem widersprach schließlich nur der Bürgermeister, dem auch zwei Abstimmungen Recht gewesen wären, eine sofort und wenn's rechtlich nicht klappt, eben nochmal bei der nächsten Ratssitzung. Diese abstruse Idee fand jedoch keine weiteren Freunde im Gremium und es wurde vertagt.
Im Folgenden werden Sitzungsvorlage und der Antrag zur Absetzung des Tagesordnungspunktes dokumentiert. Vielleicht meldet sich ja das Kommunalrechtsamt auch einmal unaufgefordert bei BM Nonnenmann und weist ihn auf einige Selbstverständlichkeiten im Umgang mit den gewählten Gremien hin.
(Wortlaut der Gemeinderatsunterlagen)
Gewerbegebiet 1, 1. Erweiterung;
hier: Aufstellungsbeschluss für die Erweiterung des Geltungsbereichs
des o. g. Bebauungsplanes im Gewann "lm unteren Ried"
1 Antrag der Verwaltung
Der Gemeinderat wolle beschließen: Für den im beiliegenden Lageplan (nicht beigelegt) gekennzeichneten Bereich in Althengstett wird ein Bebauungsplan aufgestellt.
Die Verwaltung wird beauftragt, die nach Baurecht notwendigen, ergänzenden Maßnahmen (Umweltbericht, Entwässerung, etc.) in Auftrag zu geben.
Erläuterung
Am 26. September 2001 fasste der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für einen Teilbereich des o.g. Bebauungsplanes (welchen?). Dieser Teilbereich wurde auch bereits ausgelegt, erste Maßnahmen für den notwendigen Waldausgleich (welche?) wurden bereits durchgeführt, ebenso liegt für diese Fläche ein Grünordnungsplan (wie sieht der aus?) vor.
Aufgrund der weiterhin starken Nachfrage nach Gewerbegrundstücken in Althengstett ist es notwendig, den gesamten Bereich (welchen?) zu überplanen. Es ist aber weiterhin vorgesehen, die Erschließung entsprechend dem tatsächlichen Bedarf durchzuführen.
Derzeit beabsichtigen sieben Betriebe sich im Gewerbegebiet anzusiedeln, davon sind fünf einheimische Betriebe, einer verlagert seinen Firmensitz aus einem Nachbarort und ein Betrieb wird sich neu ansiedeln. (Darüber steht viel im Gemeindeblatt, es fehlt aber hier jede Erklärung)
Die im Lageplan dargestellte Fläche (Plan fehlt) liegt überwiegend im Geltungsbereich des rechtskräftigen Flächennutzungsplanes, ein geringer Teil liegt außerhalb der bisher genehmigten Fläche. (wie groß sind die hier genannten Flächen tatsächlich?)
Der genaue Lageplan wird vom Vermessungsbüro nach Abstimmung mit den Architekten ausgefertigt und liegt zum Sitzungstermin vor. (Zu spät nach GemO. Eine Woche vorher ist Vorschrift)
(Anmerkungen in rot, meine Fragen zur Vorlage, so kann man sich kein Bild vom Verhandlungsgegenstand machen)
Antrag zur Geschäftsordnung:
Ich beantrage die Absetzung des Tagesordnungspunktes –1. Gewerbegebiet I, 1. Erweiterung hier: Aufstellungsbeschluss für die Erweiterung des Geltungsbereiches des og. Bebauungsplanes im Gewann „Im unteren Ried“ – wegen offensichtlichen Verstoßes gegen die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Gemeindeordnung hier §34 GemO.
Begründung:
Ich zitiere aus der Verwaltungsvorschrift:
„Der Mitteilung der Tagesordnung sind diejenigen Unterlagen über die Gegenstände der Tagesordnung beizufügen, die für die Verhandlung, d.h. als Anhaltspunkt für die Vorbereitung auf die Beratung und für die beratung selbst, erforderlich sind...... Die erforderlichen Beratungsunterlagen müssen es den Gemeinderäten ermöglichen, sich über die zur Beratung und Entscheidung anstehenden Verhandlungsgegenstände näher zu informieren. ....Die Mindestfrist sowohl für die Einberufung als auch für die Mitteilung der Tagesordnung samt Übersendung der Unterlagen beträgt mindestens 3 Tage....... in größeren Gemeinden sowie allgemein bei schwierigen oder für die Gemeinde bedeutenden Verhandlungsgegenständen ( z.B. Haushaltssatzung, Bauleitpläne, Satzungen) sollte die Frist mindestens eine Woche betragen.
Die vor einer Woche zugesendeten Unterlagen enthielten weder eine detaillierte Beschreibung der Planung noch eine Planzeichnung. Deshalb war es mir als Gemeinderat nicht möglich mich auf die Sitzung vorzubereiten oder mir von dem Vorhaben aufgrund der Unterlagen ein Bild zu machen. Ich bitte deshalb das Gremium diesem Antrag zuzustimmen kündige aber auch gleich an, dass ich bei einem anders lautenden Bescheid den Vorgang einer rechtlichen Würdigung unterziehen werde.
Gemeinderäte, die ihre Verantwortung ernst nehmen, brauchen vollständige Unterlagen zur rechten Zeit und nicht erst einen Tag vor oder bei der Sitzung selbst, um sich miteinander beraten und zu guten Ergebnissen kommen zu können, da hier schon in der Vergangenheit an der Vorlagenpraxis der Verwaltung Kritik geübt wurde und keine Besserung in Sicht ist, ist es an der Zeit, ein Zeichen zu setzen.
Ralf Köhler 18.01.06
Donnerstag, 19. Januar 2006
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