Beim demnächst anstehenden Satzungsbeschluß des Gemeinderates zum erweiterten Bebauungsplan im Althengstetter Gewerbegebiet Unteres Ried (Intiergelände) geht es um eine entscheidende Zukunftsfrage. Wird Althengstett für alle Zeiten zum Standort für Industriebetriebe aller Art, mit allen möglichen negativen Folgen für die hier wohnenden Menschen oder vertreten wir als Gemeinderäte gegen die Begehrlichkeit eines Immobilienmaklers unsere eigenen Interessen.
Mehr Lärm und mehr Luftverschmutzung sind die möglichen Spätfolgen einer unüberlegten, nach unserer Auffassung falschen Entscheidung für ein Industriegebiet.
Intier kann nämlich, wie andere auch, problemlos in einem Gewerbegebiet produzieren. Ein Schaden entsteht dabei weder dem neuen Unternehmen noch der Gemeinde.
Zumal, wie dem Bericht des Schwarzwälder Boten vom Donnerstag, dem 27. April zu entnehmen ist, "über kurz oder lang" nicht, wie bisher im Planverfahren immer wieder behauptet, ein Dreischichtbetrieb, sondern nur ein Zweischichtbetrieb geplant ist.
Der von der Gemeinderverwaltung vorgetragene Hinweis auf ein bereits bestehendes Industriegebiet am Ort, im sogenannten ehemaligen Zeyko-Areal, führt leider in die Irre. Dieses Gebiet ist nämlich schon vor über 30 Jahren vom langjährigen Bürgermeister Gerhard Schanz und dem damaligen Gemeinderat verantwortungsbewußt mit einem entscheidenden Zusatz versehen worden. „In dem Baugebiet sind erhebliche belästigende Gewerbebetriebe nicht zulässig“ heißt es da unter Punkt 1a im gültigen Bebauungsplan. Das Gebiet hat also nach heutiger Definition den Charakter eines viel besser kontrollier- und steuerbaren Gewerbegebietes.
Reden Sie mit Ihren Gemeinderäten und fragen Sie wie sie abstimmen werden.
Mehr über den großen Unterschied von Industrie- und Gewerbegebieten und den sich daraus ergebenden Folgen für unsere Umgebung erfahren Sie in dem folgenden Bericht von Lothar Kante. Mehr zum Thema gibt es außerdem per Mausclick unter Intier - der Wald ist weg:
Hintergrundinfo:
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Gewerbegebiet / Industriegebiet:
Im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung sind die Arten der Nutzungen von Grundstücken definiert. Demnach können zunächst im Flächennutzungsplan allgemeine Festlegungen getroffen werden. Es gibt die folgenden vier Möglichkeiten:
- Wohngebiet W
- Gemischte Bauflächen M
- Gewerbliche Bauflächen G
- Sonderbauflächen S
Genauere Details werden dann später im verbindlichen Bebauungsplan festgelegt. Nach der Baunutzungsverordnung gibt es folgende 10 Arten der Flächennutzung:
( die angehängten Zahlen zeigen den zulässigen Lärmpegel in dB Tag/Nacht)
- Industriegebiet (GI) keine Beschränkung
- Gewerbegebiet (GE) 69/59
- Kerngebiet (MK) 55/50
- Mischgebiet (MI)
- Dorfgebiet (MD) 50/45
- besonderes Wohngebiet (WB) 45/40
- allgemeines Wohngebiet (WA) 45/40
- reines Wohngebiet (WR) 40/35
- Kleinsiedlungsgebiet (WS) 45/40
- Sondergebiet (SO) 45/65
Jede dieser Nutzungsarten ist mit definierten Beschränkungen bzw. Nutzungsrechten versehen. Diese betreffen zum Beispiel die bei Tag oder Nacht erlaubten Emissionen (z.B. Lärm, Abgase), die Art der zulässigen Gewerbe, Industrieanlagen usw.. In der Baunutzungsverordnung heißt es dazu u.a.:
§ 8 Gewerbegebiete
(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
§ 9 Industriegebiete
(1) Industriegebiete dienen ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind.
Was bedeutet das für Althengstett?
Im Bebauungsplan können von der Gemeinde zwar noch Einschränkungen festgesetzt werden, zum Beispiel können definierte Gewerbearten (z.B. Großeinzelhandel) ausgeschlossen werden.
Die Gemeinde hat aber nach der Festlegung „GI“ faktisch keinen Einfluss mehr darauf, wer sich dort mit welchen Produktionsanlagen ansiedelt.
Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: hat sich die Gemeinde einmal dafür entscheiden eine Fläche als Industriegebiet auszuweisen, dann muss (!) dort alles zugelassen werden, was nicht ausdrücklich verboten ist.
Abgesehen von wenigen Einschränkungen, die zuvor explizit in den Bebauungsplan aufgenommen werden können, gibt es dann nur noch Beschränkungen durch das Bundesimmissionschutzgesetz.
Bisher hat es deshalb in Althengstett - wie in sehr vielen anderen Gemeinden mit ähnlicher Struktur auch - aus gutem Grund kein Industriegebiet nach heutiger Definition gegeben.
Dies war und ist aus wirtschaftlichen Gründen auch überhaupt nicht erforderlich, alle Althengstetter Firmen konnten problemlos unter den Bedingungen die ein Gewerbegebiet bietet, angesiedelt werden.
Wir sind überzeugt, dass Althengstett auch ohne ein Industriegebiet in der Zukunft für neue Arbeitsplätze und verträglichen Wachstum gut gerüstet ist.
Was ist nun geplant?
Für das Gebiet Unteres Ried/Langenlöchle besteht seit vielen Jahren ein Flächennutzungsplan, der diesen Bereich als geplante gewerbliche Baufläche (G) ausweist. Bisher existiert nur für einen Teil dieser Fläche ein detaillierter Bebauungsplan. Die Gemeinde Althengstett hatte seinerzeit weise entschieden, die heute weitgehend belegte Fläche als Gewerbegebiet und nicht als Industriegebiet auszuweisen.
Es soll nun innerhalb des bestehenden Flächennutzungsplanes für die noch übrige Fläche ebenfalls ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Dabei geht es um das nördlich am bisherigen Bebauungsgebiet angrenzende, in den Wald hinein gehende Teilstück. Dies ist zunächst überhaupt nicht zu beanstanden, weil die Endscheidung, dort Gewerbe anzusiedeln bereits vor vielen Jahren gefallen ist.
Ein großer Teil der nun hinzu kommenden Fläche soll aber zum Industriegebiet erklärt werden. Die von der Gemeindeverwaltung zuerst vorgetragene Begründung, man wolle damit der sich ansiedelnden Firma Intier den Dreischichtbetrieb ermöglichen, ist nicht schlüssig.
Unsere Rückfragen beim Landratsamt ergaben, dass für einen Dreischichtbetrieb die Festsetzung als Industriegebiet nicht erforderlich ist. Im Übrigen haben wir auch bereits Betriebe, die im Gewerbegebiet seit Jahren ohne Probleme dreischichtig arbeiten können.
Auf Nachfrage hat Herr Bürgermeister Nonnenmann in der GR-Sitzung am 08.02.2006 daraufhin erstmals öffentlich erklärt, dass die Festsetzung als Industriegebiet eine Bedingung der Firma war. Es ginge dabei nicht allein darum, den Dreischichtbetrieb zu ermöglichen, es ginge auch um Emissionen. Dazu zähle auch Lärm, der zum Beispiel entstehen könnte, wenn im Sommer Hallentore geöffnet sind. Gekauft wurde das Grundstück von einer Immobilienleasinggesellschaft.
Nicht kalkulierbare Folgen
Wir gehen davon aus, dass sich die Emissionen der Fa. Intier, wie in den Vorberatungen versichert worden ist, in akzeptablen Grenzen halten werden. Wir können aber nicht nachvollziehen, warum es dann unbedingt ein Industriegebiet sein muss? Die geplante Produktion sollte auch in einem Gewerbegebiet möglich sein. Sollte diese Firma irgendwann einmal Althengstett verlassen (was wir uns nicht wünschen, aber in Zeiten der Globalisierung ja ein nicht ganz abwegiger Gedanke ist), dann bleibt das Gelände weiterhin ein Industriegebiet – mit dann völlig unbeeinflussbaren Konsequenzen, die nachfolgende Ansiedlungen mit sich bringen könnten.
Der Vorteil für die Immobilienleasingfirma, in deren Besitz das Grundstück ist, liegt dagegen auf der Hand: ein Industriegebiet ist sicher lukrativer am Markt unterzubringen, als ein Gewerbegebiet, von dem es viele gibt.
Wir sind der Auffassung, dass der jetzt vom Gemeinderat zu erstellende Bebauungsplan keine Industriefläche ausweisen soll. Dies ist für die aktuellen Ansiedlungen überhaupt nicht erforderlich und würde für Althengstett unkalkulierbare Risiken hinsichtlich der Emissionen, der Lebensqualität und dem Charakter der ländlichen Gemeinde Althengstett mit sich bringen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen